Bühnendebüt für Teenie-Schwarm
Neu-Isenburg - „Ich finde dich sooo supersüß. Würde dich so gerne mal live erleben“, hat Laura ins Gästebuch des Seifenoper-Schauspielers Raúl Richter geschrieben. Von Klaus Hellweg

© Stefan Gräf (p)
In der Tat: Der 24-jährige Berliner, der zurzeit als Dominik Gundlach in „Gute Zeiten, schlechte Zeiten“ nach einer brutalen Entführung von einer Psychose in die nächste fällt, ist nicht nur ein Mädchenschwarm und Traum vieler Schwiegermütter, sondern einer der populärsten aktuellen Soap-Stars. Und Laura kann sich freuen: Raúl Richter steht demnächst live auf der Bühne der Hugenottenhalle – und das nicht nur einmal, sondern gleich in zwei Vorstellungen am 29. und 30. Oktober.
Das Mund Art Theater hat ihn für eine Gastrolle in der Inszenierung des Schwanks „Das Mädchen aus dem Fahrstuhl“ engagiert. Nicht nur das Stammpublikum dieser hessischen Mundartbühne freut sich; die Freude reicht bis in den Norden der Republik. Denn kaum hatte Theaterchef Thorsten Wszolek seinen Fang im Internet bekannt gemacht, kamen die ersten Kartenbestellungen aus Hamburg.
„Zwangseinquartierung“
Es ist fast schon Tradition, dass das Mund Art Theater eine neue Spielzeit mit einer Klamotte des Autorenduos Franz Arnold (1887 bis 1929) und Ernst Bach (1878 bis 1960) beginnt. Deren Schwänke sorgen – in der südhessischen Mundart-Bearbeitung durch Thorsten Wszolek erst recht – immer wieder für krachende Situationskomik und für fast schon krampfhafte Lachanfälle. Die Bach- und Arnold-Schwänke sind längst zum Markenzeichen des Mund Art Theaters geworden; man denke an Stücke wie „Die spanische Fliege“, „Der kühne Schwimmer“, „Der keusche Lebemann“, „Die vertagte Hochzeitsnacht“, „Der wahre Jakob“ oder an „Stöpsel“.
Und jetzt eben „Das Mädchen aus dem Fahrstuhl“, das um das Jahr 1920 entstanden sein muss; exakte Daten liegen nicht vor. Arnold und Bach hatten dem Schwank seinerzeit den Titel „Zwangseinquartierung“ gegeben. Doch weil so etwas furchtbar dröge klingt, wurde später „Das Mädchen aus dem Fahrstuhl“ daraus.
Mit der gleichnamigen Erzählung von Gabriele Herzog und dem darauf basierenden DEFA-Liebesfilm (Premiere 1990) hat diese Klamotte von Arnold und Bach absolut nichts zu tun. Wohl aber mit jenem Stück, das in den Jahren 1986 und ’87 mit großem Erfolg im Kölner Millowitsch-Theater gegeben wurde. Wie übrigens so viele der Bach- und Arnold-Stücke von der Millowitsch-Truppe und auch vom Hamburger Ohnsorg Theater gespielt wurden - immer der heimischen Mundart angepasst und mit Witz und Esprit aufgepeppt.
Premiere in der Hugenottenhalle
In südhessischer Diktion, in die Wszolek den Schwank übertragen hat, feiert das „Mädchen aus dem Fahrstuhl“ somit in der Hugenottenhalle Premiere.
Und darum geht es: Der Fabrikbesitzer Anton Teischer (Thorsten Wszolek) will sich aufs Altenteil zurückziehen; sein Neffe Gerhard (Sascha Kaspar) soll seine Fabrik übernehmen. Aber aus dem ruhigen Lebensabend wird nichts, denn es kommt alles ganz anders. Zuerst wollen zwei Hausangestellte ihr Diener-Dasein beenden und treten einer Gewerkschaft bei. Teischer wirft sie kurzerhand hinaus.
Dann macht ihm auch noch sein Neffe Ärger. Der Fabrikant hat ihm jahrelang das Studium finanziert, damit er einmal die Fabrik übernehmen kann. Außerdem soll der Neffe Helene, die einzige Tochter (Stefanie Wszolek) seines Kompagnons Dieter Ellinger (Horst Becker), heiraten. Davon hält Gerhard aber überhaupt nichts; er hat nämlich Musik studiert, das aber seinem Onkel des Geldes wegen vorenthalten. Und Helene hat inzwischen heimlich mit Dr. Hans Hellwig (Raúl Richter) angebandelt. Zu allem Überfluss bekommt Teischer dann auch noch wegen akuter Wohnungsnot in Form einer „Zwangseinquartierung“ sämtliche Fremdenzimmer mit Obdachlosen belegt - unter anderem mit der mutmaßlichen Folge einer Liebesnacht, die er in seiner Jugend mit dem Zimmermädchen eines Hotels in einem stecken gebliebenen Fahrstuhl erlebte.
Interesse an den Soap’lern
Die Ursprungsfassung von Bach und Arnold sieht sechs Männer- und ebenso viele Frauenrollen vor; Wszolek hat in seiner Bearbeitung das Personal um zwei Akteure geschrumpft. Das Mund Art Theater tut sich nämlich manchmal etwas schwer bei der Besetzung der Männerrollen; so – laut Wszolek – auch diesmal. Ergo musste jemand von „außerhalb“ her.
Und da greift der Intendant immer wieder gerne auf Soap-Stars oder solche Akteure zurück, die sich dafür halten. Schauspieler wie Tobias Licht („Unter uns“, „Alles was zählt“), Norman Kalle, inzwischen Miteigentümer des Mund Art Theaters („Alles was zählt“, GZSZ), Igor Dolgatschew („Alles was zählt“), auch Roman Roth und Stefan König (beide GZSZ) standen bei Wszolek auf der Bühne der Hugenottenhalle.
Der Intendant begründete das Interesse an den Soap’lern einmal damit, sie seien wegen der Dauer-Dreharbeiten für ihre Seifenopern enorm belastbar. Aber sicherlich erhofft sich das MAT durch das Engagement bekannter Fernsehgesichter, deren Gagenforderungen sich - wenn überhaupt - im überschaubaren Rahmen halten dürften, einen weiteren Popularitätsschub. Immerhin hat RTL, weil es sich bisher ausnahmslos um Soap-Akteure dieses Senders handelte, immer in TV-Beiträgen über die neuen Wege der Soap’ler berichtet.
Mit Raùl Richter hat Wszolek jemanden an Bord geholt, der bis zu seinem vierten Lebensjahr in Lima/Peru aufwuchs. Richter hatte privaten Schauspielunterricht bei Michael Gräwe in Berlin, gab 1997 sein Fernseh-Debüt, ist seit 1999 auch als Synchronsprecher tätig, wurde aber erst so richtig bekannt durch seine Rolle des Dominik „Nik“ Gundlach in „Gute Zeiten, schlechte Zeiten“, die er seit Ende 2007 spielt. Auf einer Theaterbühne stand der Teenie-Schwarm bisher noch nie.
2008 wurde Raúl Richter mit dem Jetix Award in der Kategorie „Coolster TV-Star“ ausgezeichnet; Anfang Juni konnte er sich beim ersten „German Soap Award“ in Hamburg über den Publikumspreis „Bester Darsteller einer Daily Soap“ freuen.
Quelle: http://www.op-online.de/lokales/nachrichten/neu-isenburg/buehnendebuet-teenie-schwarm-1392577.html